Einsatz wider falsche Hoffnungen
Manchmal werden Hoffnungen geweckt, die einfach falsch sind.
Solche Hoffnungen sind nicht nur illusorisch, sondern auch gefährlich und – je nach Wahrnehmungsvermögen dessen, der sie verbreitet – naiv oder unverantwortlich. Diese Illusionen sind so angelegt, dass sie über kurz oder lang zu Frust und Enttäuschung führen müssen. Die einen, die sich für solche Ideen eingesetzt haben, verschließen sich irgendwann und werden hart, und die anderen, die das „ja von vorn herein gesehen haben“, engagieren sich erst gar nicht. „Hat doch sowieso keinen Zweck!“ Ein gutes Argument zum Zurücklehnen. Viele Gesellschaftsutopien haben auf diese Weise Menschen verschlissen.
Für mich ist es faszinierend, dass die Bibel, die ein Buch voller Hoffnung ist, ganz nüchtern die Wirklichkeit dieser Welt sieht. In 5. Mose 15,11 heißt es: „Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden.“ Diese realistische Weltsicht ist dort jedoch mit dem Ruf in die Verantwortung verbunden: „Darum mache ich dir zur Pflicht: Du sollst deinen Not leidenden und armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen.“ Was dem alten Volk Gottes gesagt wird, nimmt Jesus später auf, als es um die Anwendung einer kostbaren Salbe geht, was mancher als Verschwendung empfand: „Arme habt ihr alle Zeit bei euch!“
Und genau aus dieser nüchternen Sicht entsteht nun die Aufgabe. Eine Aufgabe, die tatsächlich zu packen ist. Gott erwartet demnach von uns nicht, dass wir Strukturen schaffen, in denen Armut ein für alle Mal verhindert wird. Er möchte aber, dass wir dort schon mal was tun, wo’s geht. Das bewegt sich im Rahmen unserer Möglichkeiten. Deshalb darf Gott es von uns erwarten.
Die Debatten, wie Einkommensunterschiede grundsätzlich abgeschafft werden können, lassen sich trefflich führen. Der biblische Satz „Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden.“ beendet sie. Damit wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, wem wir uns konkret widmen und ihm helfen können. Weil wir nicht Gott sein müssen, weil das Evangelium aus dieser Überforderung befreit, können wir Mit-Mensch sein. Das erfordert unseren vollen Einsatz, denn Armut und Ausgrenzung haben oft kein schönes Gesicht. Und der Einsatz ist auch nicht gleich von Erfolg gekrönt. Wenn wir aber ernsthaft darüber nachdenken, wo wir konkret teilen und uns mit unserer Person engagieren können, da fällt uns doch was ein – oder?
Ihr Pfarrer Uwe Liewald